RICHTER. Rechtsanwälte

Kindeswohl: Die Anforderungen an die gemeinsame Sorge nicht verheirateter Eltern

Müssen sich die Kindeseltern nach einer Trennung noch verstehen oder können sie gänzlich getrennte Wege gehen und jeglichen Kontakt zum anderen Elternteil strikt verweigern?

Mit eben dieser Frage hat sich das OLG Hamm im Frühsommer 2016 beschäftigt und sich schließlich klar positioniert.

Ist eine Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit beider Elternteile nicht (mehr) gegeben und kann diese „Funkstille" auch nicht mehr mittels Inanspruchnahme professioneller Hilfe wiederhergestellt werden, so steht dieser Umstand einer gerichtlichen Anordnung der gemeinsamen elterlichen Sorge in Gänze entgegen.

Dass sich die Eltern nach einer Trennung in manchen Fällen noch weniger zu sagen haben als vor der Trennung stellt zwar kein ungewöhnliches Ereignis dar, für eine Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts hat diese „Funkstille" der Eltern jedoch erhebliche Auswirkungen. Denn die Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts setzt ein Mindestmaß an Kooperation und Kommunikation zwischen den Elternteilen voraus.

Eine strikte Verweigerung eines Elternteils hat dann nicht selten zur Folge, dass eine gemeinsame Sorgerechtsausübung nicht realisierbar ist und nur einem Elternteil zwangsläufig die elterliche Sorge vom Gericht übertragen werden muss bzw. übertragen werden kann.

Trennen sich unverheiratete Paare mit gemeinsamen Kindern, so stellt sich in erster Linie die Frage nach dem Sorgerecht.

Grundsätzlich liegt dieses zwar erst mal in den meisten Fällen bei der Kindesmutter, allerdings wurden die Rechte des Kindesvaters seit 2013 gestärkt.

Väter können nunmehr auch gegen den Willen der Mutter nach der Trennung beim zuständigen Familiengericht das gemeinsame Sorgerecht beantragen, der Richter / die Richter dürfen dies dann den Vätern nur aus gutem Grund verweigern.

Wurde zwischen den Kindeseltern das gemeinsame Sorgerecht bereits geregelt und möchte ein Elternteil nunmehr das alleinige Sorgerecht, so setzt dies ebenfalls eine richterliche Entscheidung voraus.

Grundsätzlich richtet sich eine familiengerichtliche Entscheidung in Verfahren, in denen die elterliche Sorge oder das Umgangsrecht unter den Kindeseltern strittig sind, dann nach dem Wohl des Kindes.

Unter Kindeswohl versteht man dabei ein Rechtsgut aus dem deutschen Familienrecht, welches das gesamte Wohlergehen eines Kindes oder Jugendlichen sowie seine gesunde Entwicklung umfasst.

Nach einem Beschluss des OLG Hamm widerspricht eine gemeinsame elterliche Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern dann dem Kindeswohl, wenn eine Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit beider Eltern nicht (mehr) gegeben ist und diese auch nicht mehr mittels Inanspruchnahme professioneller Hilfe wiederhergestellt werden kann.

Der Entscheidung des Gerichts lag dabei folgender Sacherhalt zugrunde:

Nach der Trennung beantragte der Kindesvater das gemeinsame Sorgerecht sowie die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich alleine vor dem zuständigen Amtsgericht Gelsenkirchen-Buer für das im Jahre 2006 geborene Kind. Die Kindesmutter beantragte die Zurückweisung dieser Anträge.

Die Kindeseltern waren im gegebenen Fall jedoch seit der endgültigen räumlichen Trennung vor drei Jahren noch hoch zerstritten. Zwischen den Eltern kam es immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen.

Der Antrag des Kindesvaters blieb erstinstanzlich ohne Erfolg. Gegen diese Entscheidung legte der Kindesvater später Beschwerde ein.

Das OLG Hamm bestätigte mit seiner Entscheidung jedoch den erstinstanzlichen Beschluss des Amtsgerichts.

Das OLG Hamm hat seine Entscheidung damit begründet, dass nach der gesetzlichen Regelung nach § 1626 a Abs. 3 BGB die elterliche Sorge grundsätzlich der Kindesmutter allein zustehe und das Gericht die elterliche Sorge beiden Elternteilen nur dann gemeinsam übertrage, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspreche, vgl. § 1626 a Abs. 1, Abs. 2 S.1 BGB.

Für die Anordnung einer gemeinsamen elterlichen Sorge formuliere das Gesetz dabei eine „negative" Kindeswohlprüfung.

Dies setze voraus, dass eine erstmalige Einrichtung der gemeinsamen Sorge dem Kindeswohl nicht widerspreche.

Hierfür sei jedoch erforderlich, dass eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Kindeseltern vorhanden sei, d. h. ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen den Eltern sowie ihre grundsätzliche Fähigkeit zum Konsens gegeben sei.

Eine Alleinsorge der Mutter habe dann folgerichtig bestehen zu bleiben, wenn die Kindeseltern keine das Kind betreffende Entscheidung finden könnten und das Kind dadurch, also durch die gemeinsame elterliche Sorge, erheblich belastet würde.

Die Entscheidung für eine gemeinsame elterliche Sorge stelle dabei eine Prognoseentscheidung dar, da die gemeinsame Sorge bis zum Zeitpunkt ihrer erstmaligen Anordnung ja noch nicht bestanden habe, mit der Folge, dass die Zugangsvoraussetzungen zu einer gemeinsamen Sorge nicht zu hoch angesetzt werden dürften. Denn es lasse sich nicht immer mit hinreichender Sicherheit prognostizieren, dass zwischen Eltern jegliche tragfähige soziale Beziehung nicht vorhanden sei, sodass es oftmals von den Betroffenen hingenommen werden müsse, dass ggf. erst nach einer Erprobungsphase festgestellt werden kann, ob die erstmals angeordnete gemeinsame elterliche Sorge auch tatsächlich funktioniere.

Allerdings müsse da eine klare Grenze gezogen werden und die alleinige Sorge einem Elternteil zugesprochen werden, wo es gänzlich an einer Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit zwischen den Elternteilen fehle und eine Bereitschaft zur Verbesserung der Situation fehle.

Denn in diesem Fall könne gerade davon ausgegangen werden, dass bereits die Erprobungsphase der gemeinsamen Sorge dem Kindeswohl schade.

Die Anordnung einer gemeinsamen Aufenthaltsregelung scheide unter diesen Gesichtspunkten ebenfalls aus, so das OLG Hamm.

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 24.05.2016 – 3 UF 139/15